DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 11 / XI

Spuren der Römer in
Au am Leithaberge

Die Gutshöfe

»Auf zwei Dinge ist vor Errichtung eines Gehöftes zu achten: ob durch die zugehörigen Äcker Erträge erzielt werden können, die den Kostenaufwand und die Mühe lohnen, und ob die Lage der Gesundheit zuträglich ist. Wenn von diesen beiden nur eines der Prüfung nicht standhält und jemand nichtsdestoweniger bauen will, ist er geistig umnachtet. Niemand nämlich, der bei Verstand ist, darf sich Ausgaben und Kosten aufladen, wenn er sieht, dass sie nicht wieder hereingeholt werden können.«
MARCUS TERENTIUS VARRO, Über die Landwirtschaft, 2. Buch, 8.

Den ökonomischen Überlegungen, die vor dem Bau eines Gutshofs (Villa rustica) anzustellen waren, stellte der altrömische Gelehrte auch noch emotionale und ästhetische Grundsätze zur Seite, ohne die seiner Ansicht nach ein Leben auf dem Land nicht möglich war. Dem wohltuenden Anblick der nach allen Regeln des damaligen Ackerbaues bestellten Felder wurde ein ebenso hoher Stellenwert eingeräumt wie dem Aussehen der nach architektonischen Gesichtspunkten errichteten Gebäude, deren Zweckmäßigkeit und schlichte Eleganz selbst noch bei der archäologischen Ausgrabung ihrer Reste zu erahnen sind.

Im Hinterland der Garnisonsorte Vindobona und Carnuntum waren es hauptsächlich Veteranen der Legionen, die nach Ende ihrer Dienstzeit ein Grundstück in der Größenordnung von bis zu 100 Hektar erhielten. Vor Errichtung der im Abstand einer römischen Meile (1480 m) abgesteckten Gehöften folgte eine genaue Analyse der topografischen Gegebenheiten, wobei insbesondere der Geländeneigung, der sicheren Wasserversorgung sowie der Hauptwindrichtung ein besonderes Augenmerk geschenkt wurde.

Römisch-italieschen Vorbildern entsprach das nur dem Gutsherrn und seiner Familie vorbehaltene Haupthaus, das in dem von einem Graben, einer Hecke, später auch von einer Mauer eingefriedeten Hof stets eine zentrale Position einnahm. Typisch römisch sind auch das wegen der Brandgefahr immer etwas abseits errichtete Bad und die Ställe, Gebäude, die im Gegensatz zu den Behausungen der nördlich der Donau lebenden Germanen einen gewissen Hygienestandard sowie eine eigenständige Unterbringung der Tiere erkennen lassen. Unterkünfte für Knechte und Mägde, Speicher, Unterstände für den Fuhrpark wie auch kleinere Gebäude für die zahlreichen auf dem Hof verrichteten handwerklichen Tätigkeiten vervollständigen die Bausubstanz einer Villa rustica, in der in der Regel auch noch ein Garten für das tägliche Gemüse vorhanden war.

Rekonstruktion einer kleineren Villa rustica mit einem stattlichen Haupthaus (das zugehörige Badegebäude ist nicht dargestellt) und mehreren Nebengebäuden. Der hier über Generationen erwirtschaftete Wohlstand war insbesondere im 4. Jahrhundert für die nördlich der Donau siedelnden Germanen Anreiz für Überfälle und Plünderungszüge.

Foto: Bundesdenkmalamt – M. Oberer

Foto: Universität Wien, Institut f. Urgeschichte und Historische Archäologie – Luftbildarchiv

Aus dem Gemeindegebiet von Au am Leithaberge sind zurzeit zwei Standorte von Villae rusticae bekannt. Während jene am nordöstlichen Ortsausgang heute durch den Friedhof und die umliegenden Häuser weitgehend zerstört und überbaut ist, hat sich westlich davon – im Abstand einer römischen Meile – der Grundriss einer weiteren Anlage im Boden erhalten. Das im Bild sichtbare, mehrphasige Haupthaus des Gehöfts wurde erst vor kurzem während eines gezielten Luftbildfluges anhand von Bewuchsmerkmalen entdeckt.

Foto: links und rechts: Ubi erat lupa – O. Harl

Grabstein des Veteranen Marcus Valerius Ma(n)suetus, gefunden beim Neubau eines Hauses im Bereich des bekannten Gräberfeldes. Marcus Valerius Ma(n)suetus war zu Beginn des 3. Jahrhunderts ein Kundschafter in der Leibgarde des Kaisers. Nach Ende seiner Dienstzeit zog er sich in die (heute durch den Friedhof zerstörte) Villa rustica zurück, wo er nach seinem Tod auf dem zugehörigen Gräberfeld bestattet wurde.

Zwischen 1912 und 1914 in Au entdeckte Grabstele der Umma, die im 1. Jahrhundert n. Chr. im Alter von 45 Jahren starb.

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