DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 13 / XIII

NACHBARN UND GEGNER

Die Markomannen

Die Markomannen zeichnen sich durch Ruhm und Stärke aus, und sogar ihre jetzigen Wohnsitze, aus denen sie einst die Bojer vertrieben, verdanken sie ihrer Tapferkeit.

Trotz ihrer großen Zahl ist die äußere Erscheinung bei allen dieselbe:
wild blickende blaue Augen, rötliches Haar und große Gestalten.

Sie bewohnen keine Städte und hausen einzeln und gesondert, gerade wie eine Quelle, eine Fläche, ein Gehölz ihnen zusagt. Jeder umgibt sein Haus mit freiem Raum. Sie verwenden keine Bruchsteine oder Ziegel, sondern Holz, ohne auf ein gefälliges Aussehen zu achten. Sie schachten auch im Erdboden Gruben aus und bedecken sie mit reichlich Dung, als Zuflucht für den Winter.

Gleich nach dem Schlaf, den sie häufig bis in den Tag hinein ausdehnen, waschen sie sich und speisen. Dann gehen sie in Waffen an ihre Geschäfte und nicht minder oft zu Gelagen. Tag und Nacht durchzuzechen, ist für niemanden eine Schande.

Kein anderes Volk gibt sich verschwenderischer der Geselligkeit und Gastfreundschaft hin. Irgendjemanden vom Hause zu weisen, gilt als Frevel.
Als Getränk dient ein vergorener Saft aus Gerste oder Weizen. Die Kost ist einfach: wildes Obst, frisches Wildbret oder geronnene Milch. Ohne feine Zubereitung, ohne Gewürze vertreiben sie den Hunger.

Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen die Männer viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben. Gerade die Tapfersten rühren sich nicht. Es gilt als unehrenhaft, sich mit Schweiß zu erarbeiten, was man mit Blut erringen kann. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen und alten Leuten.

Geld- und Zinsgeschäfte sind ihnen unbekannt. Ackerland nehmen sie gemeinsam in Besitz und teilen es nach ihrem Rang unter sich auf. Ihr Arbeitsaufwand wetteifert nicht mit der Fruchtbarkeit und Ausdehnung des Bodens: Sie legen keine Obstpflanzungen an noch umzäunen sie Wiesen oder bewässern sie Gärten; einzig Getreide soll der Boden hervorbringen.

Vieh gibt es reichlich, doch zumeist ist es unansehnlich. Selbst den Rindern fehlt die Stattlichkeit; allein die Menge macht den Leuten Freude, und die Herden sind ihr einziger und liebster Besitz.

Bei Totenfeiern meiden sie Prunk; nur darauf achten sie, dass die Leichen berühmter Männer mit bestimmten Holzarten verbrannt werden. Den Scheiterhaufen beladen sie ausschließlich mit Waffen; einigen wird auch das Pferd ins Feuer mitgegeben. Über dem Grab erhebt sich ein  Rasenhügel, die Ehre hoher und kunstvoller Denkmäler lehnen sie ab.

VELLEIUS PATERCULUS, Römische Geschichte, 2. Buch, 108–110.

Foto: F. Sauer

Bewuchsmerkmale zahlreicher Grubenhäuser bei Laa an der Thaya (Niederösterreich).

Foto: Grafik F. Siegmeth

Ausgehend von Böhmen und Mähren besiedelten die Markomannen ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. auch das Weinviertel und das östliche Waldviertel.

Foto: Creative Commons

Eine moderne ›Reenactment-Gruppe‹, gekleidet als bewaffnete Germanen. Die Standardwaffen eines germanischen Kriegers waren Lanze und Speer, nur wenige besaßen auch ein Schwert. Als Schutzwaffe diente ein relativ kleiner Schild mit einem in der Mitte aufgesetzten Eisenbuckel.

Foto: F. Siegmeth

Foto: W. Lobisser

Ein Gehöft der Markomannen bestand in der Regel aus einem stattlichen Wohnstallhaus, mehreren in den Boden eingetieften Grubenhäusern und einem wegen der ständigen Brandgefahr abseits stehenden Speicher. Bei strengem Frost dienten die für handwerkliche Tätigkeiten erbauten Grubenhäuser auch als Unterkunft.

Foto: Kolp (+)

Bei den Markomannen kam es mehrfach zu Revolten. Die Unterlegenen flohen stets nach Süden, wo sie nach Überqueren der Donau von den Römern Asyl erhielten. Während die gestürzten Anführer ihre Quartiere in Italien oder in Gallien aufschlagen mussten, wurde dem Gefolge das unmittelbare Hinterland der Reichsgrenze als Siedlungsgebiet zugewiesen. Bei archäologischen Grabungen in Hof und Au am Leithaberge findet man auch heute noch Überreste dieser Menschen, die nach ihrer Kremation mitsamt ihren Habseligkeiten in einfachen Gräbern beigesetzt wurden. Im Bild die Beigaben eines Mannes, der im Gräberfeld von Au mit einer Schere, einem Messer und den Resten seines Schildes seine letzte Ruhe fand.

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