DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 20 / XX

Tiberius gegen Marbod

Der römische Feldzug gegen die Markomannen im Jahr 6 n. Chr.

Es blieb in Germanien nichts mehr zu erobern übrig, außer dem Volksstamm der Markomannen. Diese waren unter ihrem Führer Marbod aus ihren bisherigen Wohnsitzen aufgebrochen, hatten sich ins Innere des Landes zurückgezogen und bewohnten nun die Gegenden innerhalb des Hercynischen Waldes.

Marbod war aus einem vornehmen Geschlecht und besaß einen kühnen Geist – mehr seiner Abkunft als seinen geistigen Fähigkeiten nach ein Barbar. Dieser Mann beschloss nun, sein Volk weit von den Römern entfernt an einen Ort zu bringen, wo er es, nachdem er der stärkeren Macht gewichen war, selbst zur stärksten machen konnte. Deshalb besetzte er die erwähnten Gegenden, unterwarf sich alle Nachbarn entweder im Krieg oder gewann sie durch Verträge für sich.

Die Truppe, die sein Reich schützte, brachte er durch beständige Übung fast auf den Stand römischer Disziplin. In kurzer Zeit hatte er sein Heer auf die Stärke von 70 000 Fußsoldaten und 4000 Reitern gebracht, die er durch Kriege gegen die Nachbarvölker auf eine größere Aufgabe  vorbereitete. Diesen Mann nun und diese Gegend beschloss Tiberius von verschiedenen Seiten her anzugreifen. Sentius Saturnius erhielt den Auftrag, mit seinen Legionen nach Boiohaemum zu marschieren (so heißt die Gegend, die Marbod bewohnt), und dabei sollte er eine Bresche durch die undurchdringlichen Wälder schlagen. Tiberius selbst wollte von Carnuntum aus, einem Ort im Königreich Noricum, der jener Gegend am nächsten liegt, mit den Truppen gegen die Markomannen aufbrechen.

Tiberius hatte schon die Winterquartiere an der Donau vorbereiten lassen und war mit seinem Heer bis auf fünf Tagesmärsche an die Vorhut der Feinde herangerückt. Die Legionen, die er unter Saturninus hatte aufbrechen lassen, waren in fast gleicher Entfernung vom Feind und sollten sich in wenigen Tagen mit Tiberius vereinigen. Ganz Pannonien aber, übermütig durch die Segnungen eines langen Friedens und im Vollbesitz seiner Kräfte, griff mit einem Mal zu den Waffen.

Da wurde der Ruhm der Notwendigkeit geopfert:
Es erschien gegen die Belange der Sicherheit, ein Heer im innersten Winkel des Landes zu vergraben und Italien ungeschützt dem Angriff eines so nahen Feindes zu überlassen.

VELLEIUS PATERCULUS, Römische Geschichte, 2. Buch, 108–110.

Foto: Ralf Zeeh

DER CHRONIST

(Reiterhelm mit Gesichtsmaske von der Paraderüstung eines Reiteroffiziers.)

Velleius Paterculus
* um 20/19 v. Chr.
† nach 30 n. Chr.


Als Offizier der Kavallerie zog Velleius Paterculus mit Tiberius nach Germanien, das er in zahlreichen Feldzügen kennenlernte. Zwischen 6 und 8 n. Chr. nahm er als Stabsoffizier und Legionskommandant an der Niederwerfung des Pannonischen Aufstandes teil. Um 29/30 n. Chr. verfasste er ein Geschichtswerk.

Grafik: Franz Siegmeth

Gegen Marbod und die Markomannen wurden in einer großräumig geplanten Militäroperation 12 Legionen mit 80 000 Berufssoldaten in Marsch gesetzt.

Foto: Creative Commons

Kampfbereite Legionäre auf dem Marsch.

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