AUS DER GESCHICHTE DER REGION

Nr. 6 / VI

LORETTO

Ein barockes Zentrum der Volksfrömmigkeit

Die Grundsteinlegung für die Wallfahrtskirche Loretto am 2. Juli 1651 mit 12 000 Gläubigen war nicht nur ein sorgfältig inszeniertes Spektakel, sondern auch ein machtvolles Zeichen der Gegenreformation in einem Land, dessen hoher Adel der protestantischen Glaubensrichtung folgte. Bei der Weihe acht Jahre später hatten sich bereits 20 000 Pilger eingefunden, die mit dem Grundherrn Franz III. Graf Nádasdy in der Kirche und der an den heutigen Platz versetzten Loretto-Kapelle der Gottesmutter huldigten.

Vorbild der Kapelle war das sogenannte »Heilige Haus von Nazareth«, dessen Steine im ausgehenden 13. Jahrhundert mit dem Schiff an die Adriaküste transportiert wurden, wo sie als Reliquien im Fundament einer in Loreto (Italien) – dem für alle weiteren Anlagen namengebenden Ort südöstlich von Ancona – erbauten Kapelle Verwendung fanden.

Ausgehend von der Legende, dass Maria im »Heiligen Haus« vom Erzengel Gabriel die Empfängnis und Geburt Jesu verkündet worden war, entwickelte sich Loreto zu einem internationalen Wallfahrtsort. Einer der zahlreichen Pilger, der aus Seibersdorf stammende Freiherr Rudolf von Stotzingen, berührte mit einer Kopie der in Loreto verehrten, durch Rauch geschwärzten Madonna das originale Standbild, wodurch nach damaliger Vorstellung auch die Nachbildung mit der wundertätigen Kraft der Gnadenstatue erfüllt wurde. Nachdem Rudolf von Stotzingen aus Italien  zurückgekehrt war, ließ er anstelle einer 1529 zerstörten Kapelle das »Heilige Haus« nachbauen und am 8. September 1644 die Marienskulptur in feierlicher Prozession hierher übertragen.

Nur vier Jahre später musste der Freiherr jedoch die Herrschaft Hornstein und mit ihr auch das aufblühende Loretto gegen eine Entschädigung von 140 000 Gulden an Franz Graf Nádasdy abtreten. Die Hinrichtung des neuen Patronatsherrn 1671 wegen seiner Beteiligung an der  Magnatenverschwörung bedeutete für Loretto einen ersten Rückschlag. Im Juli 1683 wurden die Gnadenkapelle, die Kirche und das Kloster von der nach Wien marschierenden osmanischen Armee zerstört. Nach dem Sieg über die Invasoren folgte ein Wiederaufbau, der erst im Jahr 1740 mit dem Bau der Westfassade der Wallfahrtskirche abgeschlossen wurde.

Foto: Paul Kolp (+)

Die Errichtung der Zweiturmfassade der Wallfahrtskirche beendete die Wiederaufbauphase nach den Zerstörungen und Brandschatzungen des Jahres 1683. Die Mariensäule bezeichnet den Standort der ersten, von Rudolf von Stotzingen 1644 erbauten Gnadenkapelle.

Foto: Paul Kolp (+)

Foto: Paul Kolp (+)

Foto: Paul Kolp (+)

Das dunkel gehaltene Innere der Gnadenkapelle erzeugt eine geheimnisvolle Stimmung, in der das mit Sternen übersäte Gewölbe geradezu überirdisch wirkt.

Foto: Paul Kolp (+)

Die wie das Original schwarz gefärbte Madonna wurde nach der Rückkehr des Freiherrn von Stotzingen aus Italien zunächst im Schloss Seibersdorf aufgestellt. Am Festtag Mariä Geburt des Jahres 1644 wurde sie nach Loretto übertragen, das sich rasch zu einer beliebten Wallfahrtsstätte entwickelte.

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