DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 9 / IX

Spuren der Römer in
Au am Leithaberge

Das Gräberfeld

Zu jedem römischen Gutshof (Villa rustica) gehörte auch ein Gräberfeld, ein Ort, an dem alle dort lebenden Personen bestattet wurden. Neben den Eigentümern und ihren Familien waren dies vor allem die Arbeitskräfte, denen – wenn der Tod sie nicht schon in der Blüte ihres Lebens ereilte – auf dem Hof bis zum Ende ihrer Tage Speis und Trank und ein Dach über dem Kopf zugestanden wurden.

Erste Nachrichten über die Entdeckung von Gräbern der Römischen Kaiserzeit stammen von Wilhelm Kubitschek (1858–1936), dem noch von Kaiser Franz Joseph bestellten Generalkonservator für die Antike der österreichischen Länder, der 1913 die Situation nach einem Lokalaugenschein folgendermaßen beschrieb:
»1905 ist zu Au am Leithaberge, einem früher auch nicht durch einen einzigen antiken Gegenstand vertretenen Fundort, eine Steinplatte mit einer römischen Inschrift gefunden worden. Zu meiner Überraschung zeigte sich, dass Au bloß deshalb in keiner Fundkarte steht, weil sich bis dahin kein Mensch mit auch nur einiger antiquarischer Bildung und einiger Spürkraft die Mühe genommen hat, das jenseits der Leitha, hart an der ungarischen Grenze gelegene Dorf aufzusuchen.«
Wenngleich das Niederösterreichische Landesmuseum während der wirtschaftlichen Notlage der Zwischenkriegszeit die Fundstelle mit einem »opferwilligen Mitarbeiterstab« im Auge behielt, sollten bis zur Vornahme planmäßiger archäologischer Untersuchungen noch weitere 80 Jahre vergehen, dahingehend, dass das Gräberfeld wegen einer Baulandwidmung erst zwischen 2003 und 2005 durch das Bundesdenkmalamt ausgegraben wurde.

Die ältesten Bestattungen stammen aus der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., als die in Urnen gesammelten Reste der auf Scheiterhaufen  verbrannten Toten mitsamt ihren Trachtbestandteilen und den zum Bestattungsbrauchtum gehörenden Gegenständen in seichten Gruben begraben wurden. Lediglich den Ärmsten war es beschieden, sang- und klanglos unter der Erde zu verschwinden. Personen von Rang und Ansehen erhielten weitaus aufwändigere Anlagen, die aus kreisrund aufgeschütteten Erdhügeln oder aus mit Mauern umschlossenen und mit Grabstelen bezeichneten Arealen bestehen konnten. Bedeutend kostspieliger waren Grabkapellen (Grabaediculen), in denen aus Stein gemeißelte Statuen – Bilder der Verstorbenen – zur Aufstellung gelangten.

Im Verlauf des 3. Jahrhunderts kam es zu einem Wechsel der Bestattungssitten: Die zum Teil noch aus der vorrömischen Tradition weitergeführte Brandbestattung wurde von der Körperbestattung abgelöst. Die seit Langem assimilierte Bevölkerung fand jedenfalls noch bis zum Zusammenbruch der römischen Herrschaft im 5. Jahrhundert hier ihre letzte Ruhe.

Foto: Bundesdenkmalamt – M. Oberer

Luftaufnahme des Gräberfeldareals, auf dem zwischen 2003 und 2005 durch das Bundesdenkmalamt 125 Brandbestattungen und 72 Körpergräber freigelegt und dokumentiert wurden.

Foto: Bundesdenkmalamt – F. Sauer

Blick auf die Grabungsfläche des Jahres 2003 mit einer Vielzahl unterschiedlicher Grabformen.

Foto: Bundesdenkmalamt – F. Sauer

 Mit Steinplatten umstelltes Brandgrab aus dem 2. Jahrhundert
n. Chr. Der Leichenbrand einer Frau (Mitte) war in einem nicht
mehr erhaltenen Behälter gelagert. Die Tote erhielt für ihre Reise
in die Unterwelt einen Keramiktopf, eine Öllampe, zwei Glasgefäße für ätherische Öle sowie eine im Bild nicht sichtbare
Münze, mit der sie den Fährmann Charon für die Überquerung
des Totenflusses bezahlen sollte.

Foto: Paul Kolp (+)

Die beiden Glasgefäße (Balsamare) haben die beinahe 2000 Jahre lange Lagerung im Boden von Au am Leithaberge nahezu unbeschädigt überstanden.

Foto: Bundesdenkmalamt – F. Sauer

Diese Sitzstatue eines mit kurzärmeliger Tunika und Mantel bekleideten Mannes war ursprünglich in einer Grabkapelle aufgestellt (Aufnahme nach der Entdeckung).

Foto: Bundesdenkmalamt – F. Sauer

Körperbestattung eines mit zahlreichen Trank- und Speisebeigaben beigesetzten Mannes aus dem 4. Jahrhundert.

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