AUS DER GESCHICHTE DER REGION

Nr. 22 / XXII

Landwirtschaft

vor 7500 Jahren

Jungsteinzeitliche Siedlungen in Wolfsthal

Sie sind im Boden noch immer vorhanden, die Gegenstände und Werkzeuge der aus dem Südosten stammenden Menschen, die ab 5500 v. Chr. in den Urwäldern Mitteleuropas »Inseln« für ihre Häuser und Anbauflächen rodeten. Bis heute verweisen auf den Äckern um Wolfsthal liegende Steingeräte und Bruchstücke von Tongefäßen auf jene Männer und Frauen, deren Lebensweise sich grundlegend von derjenigen der jagenden und sammelnden Ureinwohner unterschied. Feste Behausungen schützten vor Kälte, Regen und Schnee, Ackerbau und Viehzucht garantierten eine regelmäßigere Versorgung mit Nahrungsmitteln, wenngleich Überfälle durch andere Sippen, Krankheiten, Tierseuchen und Missernten auch hier die Existenz bedrohten. Bei der Auswahl der Siedlungsplätze spielten neben der Lage an Flüssen und Bächen vor allem leichte Lössböden eine entscheidende Rolle, dies umso mehr, als neben der natürlichen Fruchtbarkeit die Beschaffenheit des Bodens eine Bearbeitung mit einfachsten Werkzeugen – Hacken aus Ästen oder Geweihstangen und schlichte Holzpflüge – zulassen musste.

Die Lagerung des Getreides erfolgte unter der Erde, in mit Stroh ausgekleideten Gruben, die nach Entnahme der Vorräte mit dem in einem  jungsteinzeitlichen Bauernhaus anfallenden Müll – Tierknochen, zerbrochene Keramikgefäße, kaputte Werkzeuge und Bruchstücke von gebranntem Lehmverputz (»Hüttenlehm«) – verfüllt wurden. Heute befördern moderne, tief in den Boden reichende Pflüge daraus immer noch Gegenstände an die Oberfläche, Objekte, die selbst nach 7500 Jahren noch auf die damals bestehenden Behausungen verweisen. Das Aufsammeln derartiger Einzelfunde erlaubt allerdings keine Aussagen zur Dauer und Gliederung einer Siedlung. Fragen dieser Art bedürfen ausnahmslos großflächiger Ausgrabungen, wie sie seit geraumer Zeit dem Bau von Straßen oder der Erschließung von Bauland und Gewerbegebieten vorangehen.

Vieles hat sich seit den ersten Rodungen verändert. Etwa 200 Generationen haben – oft genug mit Blut und unter Tränen – durch ihrer Hände Arbeit die uns heute so vertraute Kulturlandschaft geschaffen, eine Landschaft, die seit Jahrzehnten allerdings von einer immer geringer werdenden Zahl von Landwirten mit immer größer werdenden Maschinen bewirtschaftet wird. Eines blieb jedoch unverändert: Der Boden, der uns nährt.

Foto: F. Sauer

Rekonstruktion eines bei Grabungen auf der Trasse der S 1 im Gemeindegebiet von Schwechat entdeckten, um 5500 v. Chr. errichteten Langhauses im Freilichtgelände des MAMUZ Asparn an der Zaya.

Foto: J. Czubak

Im Löss konservierte Standspuren von Pfosten des auf der Trasse der S 1 entdeckten jungsteinzeitlichen Langhauses.

Grafik F. Siegmeth

Grundrissplan des auf der Trasse der S 1 entdeckten jungsteinzeitlichen Langhauses.

Auf den Äckern um Wolfsthal ausgepflügte Gefäßbruchstücke der linearbandkeramischen Kultur. Die zernarbte Oberfläche stammt von Getreidespelzen, die dem Ton während der Aufbereitung zur besseren Brandresistenz zugegeben wurden.

Fotos: V. Reiter

Gefäßbruchstücke aus der in Schwechat vor dem Bau der S 1 entdeckten Siedlung der frühen Jungsteinzeit (linearbandkeramische Kultur, um 5500 v. Chr.).

Ob Bodenlockerung, Anbau oder Ernte, Feldarbeit war bis weit hinein in das 20. Jahrhundert für Mensch und Tier eine langwierige und anstrengende Tätigkeit. Heute stehen hierfür große Maschinen zur Verfügung, die in kürzester Zeit ein Vielfaches leisten, das auf der Oberfläche liegende Fundmaterial – die Quellen unserer Geschichte – jedoch langsam zerstören.

de_DEDeutsch