DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 23 / XXIII

Pannonien

Das Werden einer Provinz

»Die Pannonier besitzen nichts, was ein ordentliches Leben lohnt. Sie pflanzen keinen Ölbaum und erzeugen auch kaum Wein, der – da sie ja den größten Teil des Jahres in bitterstem Winter leben – zudem nicht genießbar ist.«
CASSIUS DIO, Römische Geschichte, 49. Buch, 2–3

Die schonungslose Darstellung der klimatischen Verhältnisse lässt vermuten, dass der Historiker und Staatsbeamte Cassius Dio seiner Berufung in die Provinz Oberpannonien, in deren Hauptstadt Carnuntum er zwischen 226 und 228 n. Chr. als Statthalter wirkte, skeptisch gegenüberstand. Kein Wunder: Er war zuvor als Vertreter des Kaisers in Afrika und Dalmatien tätig gewesen, also in Provinzen, in denen Olivenöl und Wein zum täglichen Leben der Menschen gehörten.

Obwohl für die römische Armee bei Carnuntum bereits im Jahr 6 n. Chr. Winterlager errichtet worden waren und Kaiser Augustus nur wenige Jahre später Pannonien zu einer eigenständigen Provinz erhob, lebte der überwiegende Teil der  Bevölkerung noch bis weit in das 2. Jahrhundert nach den Sitten und Gebräuchen der keltischen Vorfahren. Und dazu gehörte der Genuss von Bier, erzeugt aus Gerste, die bei den an der Donau aufmarschierten römischen Truppen jedoch nicht als Nahrung, sondern ausschließlich als Viehfutter Verwendung fand.

Dabei waren die weiten Ebenen und fruchtbaren Böden der neuen Provinz nicht ohne Reiz, wenngleich die Römer Pannonien nicht aus  wirtschaftlichen, sondern aus strategischen Gründen erobert hatten. Der Schutz des Mutterlandes Italien vor den Einfällen der Germanen erforderte an der Grenze eine schlagkräftige Armee, die bis zum Ende des 1. Jahrhunderts aus vier Legionen und zahlreichen Hilfstruppen bestand. Die Stationierung von Großverbänden und der Aufbau der vielen Lager setzte – nicht zuletzt auch durch den Sold der Soldaten und die Gründung von Veteranensiedlungen – eine wirtschaftliche Entwicklung in Gang, die Pannonien zu einer der reichsten Provinzen des Römischen Reiches aufsteigen ließ.

Die Wertschöpfung, die auf den Höfen von Veteranen wie auch von romanisierten Einheimischen erzielt wurde, ließ im Lauf der Zeit nicht nur eine nach römischen Grundsätzen organisierte Landwirtschaft, sondern auch Gebäude mit einem beinahe luxuriösen Wohnkomfort entstehen. Dies weckte natürlich bei den jenseits der Donau lebenden Germanen Begehrlichkeiten und führte zu immer häufigeren Überfällen. Trotz aller  Bemühungen und Reformen hatte die römische Verwaltung ab dem ausgehenden 4. Jahrhundert diesem Treiben nichts mehr entgegenzusetzen und überließ die Provinz und die verbliebene Bevölkerung schließlich der Willkür der Barbaren.

Zeitleiste

12–9 v. Chr.
Tiberius erobert die spätere Provinz Pannonien.

6 n. Chr
Feldzug gegen die Markomannen von Carnuntum aus, das zum ersten Mal erwähnt wird.

102–107
Teilung Pannoniens. Carnuntum wird Hauptstadt von Pannonia superior.

166–180
Markomannenkriege. Aufenthalte Kaiser Marc Aurels in Carnuntum und bei den Quaden am Gran (Hron/ Slowakei).

9. April 193
Septimius Severus, Statthalter von Pannonia superior, wird in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen.

November 308
Kaiserkonferenz in Carnuntum unter Vorsitz des zurückgetretenen Kaisers Diokletian. Teilung Pannoniens in vier Provinzen.

310, 323, 357, 374, 394
Historisch belegte Einfälle von Markomannen und Quaden.

330
Vandaleneinfall.

364–375
Erneuerung der Befestigungsanlagen unter Valentinian I.

17. November 375
Tod Valentinians I. in Brigetio.

433
Abtretung Pannoniens an die Hunnen.

Foto: Creative Commons/Grafik F. Siegmeth

Pannonien im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr.

Foto: Creative Commons/Grafik F. Siegmeth

Die pannonischen Provinzen ab Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr.

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