DIE EXPANSION DES RÖMISCHEN REICHES

Nr. 3 / III

DIE RÖMISCHE ARMEE

Rekrutierung und Ausbildung

Hatte sich ein junger Mann entschlossen, den Beruf eines Soldaten zu ergreifen, musste er sich zunächst der probatio, der Musterung,  unterziehen. Das kommissionell geführte Verfahren begann mit der Überprüfung der rechtlichen Voraussetzungen, zumal ein Rekrut nur dann  in die Legion eintreten durfte, wenn er das römische Bürgerrecht besaß. Während die Bewerbung eines Sklaven als Affront betrachtet und daher mit Zwangsarbeit in den Bergwerken oder sogar mit dem Tod geahndet wurde, fanden aus unterworfenen Provinzen stammende Männer – sofern sie von freier Geburt waren – immerhin bei den auxilia, den schlechter bezahlten Hilfstruppen, Aufnahme; nach Beendigung des Militärdienstes wurde ihnen dann das römische Bürgerrecht verliehen. Weitere grundlegende Voraussetzungen waren Ehelosigkeit sowie ein akkurater Charakter, wodurch Vorbestrafte, entlaufene Verbrecher oder auch Männer mit ehrlosen Berufen von der Armee ausgeschlossen blieben.

Ein besonderes Augenmerk wurde natürlich auf die körperliche Eignung gelegt. Gute Sehkraft und ein gesunder, kräftiger Körperbau waren jedoch wichtiger als die Größe, deren Mindestmaß bei 5,5 Fuß (1,63 m) lag. Konnte ein Rekrut der Kommission auch noch ein Empfehlungsschreiben einer einflussreichen Person vorlegen, stand dem Anlegen eines Personalaktes und der Aufnahme in die Armee – vielleicht sogar in der gewünschten Waffengattung – nichts mehr im Weg. Eine erfolgreich absolvierte probatio war mit der Auszahlung eines Handgeldes verbunden, das dem Gemusterten die Reise in die vorgesehene Garnison ermöglichte.

Das Eintreffen bei der Truppe war ein Ereignis, das ein Rekrut mit Sicherheit nie mehr vergaß. Nach Zuweisung einer Unterkunft und Ausfassen der Ausrüstung begann die harte, vier Monate dauernde Grundausbildung, deren einzelne Teile jeweils so angelegt waren, dass gerade dann, wenn die Auszubildenden glaubten, das Schlimmste überstanden zu haben, die Schinderei von Neuem mit einem höheren Schwierigkeitsgrad begann.

Am Anfang stand das Erlernen des richtigen Marschierens, das im Gelände rund um das Lager geübt wurde – 20 römische Meilen (30 km) in fünf Stunden, dann 40 Meilen in 12 Stunden. Sobald das geschafft war, starteten die Märsche von Neuem, diesmal allerdings in voller Rüstung. Die Waffenausbildung begann bei einem großen Holzpfahl, an dem bis zur Erschöpfung mit einem hölzernen Schwert und einem einfachen Schild allerlei Stiche, Stöße und Finten trainiert wurden. War darin eine angemessene Fertigkeit erreicht, war es Zeit, den effizienten Gebrauch des Wurfspeeres und des Schildes zu üben.

Im Mittelpunkt der letzten Ausbildungsstufe standen Verbandsübungen, bei denen die Rekruten ihren Platz in der Formation und die von den Hörnern übermittelten Signale zu lernen hatten. Das Ende dieser Phase war erreicht, wenn ein Verband wie ein einziger Organismus funktionierte und die Fertigkeit besaß, während des Marsches – auch in schwierigem und unebenem Gelände – von der Linie in einen Angriffskeil zu wechseln, bei Durchbruch des Feindes einen Abwehrkreis zu bilden oder frische Truppen nach vorne durchzulassen, ohne sich und die Ordnung der Reihen zu gefährden.

Am Ende der erfolgreich absolvierten Grundausbildung stand die Aufnahme in die Legion. Aus dem probatus, dem Anwärter, wurde nunmehr ein vollwertiger Soldat (miles), der eine mit seinem Namen versehene, aus Blei gegossene Kennmarke (signaculum) erhielt und – nach dem Antreten zur feierlichen Vereidigung – in die Liste seiner Einheit aufgenommen wurde.

Foto: Creative Commons

Mit dem gesamten Gepäck beladene probati in voller Adjustierung auf einem Übungsmarsch.

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Der Schrecken eines jeden zur Grundausbildung zugelassenen Anwärters war mit Sicherheit der Centurio, ein tüchtiger, aber überaus harter, aus dem Mannschaftsstand stammender Offizier. Seine Rangabzeichen waren der quergestellte Helmbusch und die vitis, der Rebstock, der gelegentlich auf dem Rücken eines Rekruten zerbrochen wurde.

Foto: Foro Militar General: La Pintura y la Guerra – Pagina 939

Die Ausbildung an der Waffe begann an einem Holzpfahl, wobei das gleichfalls aus Holz gefertigte Übungsschwert zur Stärkung der Armmuskel in der Regel etwas schwerer war.

Foto: La Casadel Recreador

Derartige Erkennungsmarken wurden den Rekruten nach erfolgreich absolvierter Grundausbildung überreicht.

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Zum feierlichen Fahneneid angetretener Legionär. Gewöhnlich sprach ein einzelner Soldat die Gelöbnisformel vor, während die übrigen »Idem in me!« (»Ich auch!«) riefen.

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